
Der Schweizer Geheimdienstoffizier, NATO-Berater und Buchautor Jacques Baud hat sich in einem Interview des unabhängigen US-Medienportals grayzone.com mit dem Ukrainekrieg auseinandergesetzt und dabei insbesondere die westliche Medienberichterstattung scharf kritisiert. Baud, dessen jüngste Buchveröffentlichung („Operation Z“) dem Ukraine-Konflikt gewidmet ist, weist darauf hin, daß die westlichen Medien durchgängig nur die ukrainische Version des Geschehens wiedergäben, die allerdings oft geschönt oder schlicht falsch sei.
Wörtlich sagt Baud: „Alle Informationen, die wir über die Ukraine haben, ich kann sagen, alle, 100 Prozent der Informationen, die in den Mainstream-Medien erscheinen, kommen von der ukrainischen Propaganda. Ich meine damit die Zahlen, die Zahl der Verletzten, der Todesopfer, der Zwischenfälle, einfach alles.“
Baud macht im wesentlichen drei Themenbereiche aus, in denen die westliche Berichterstattung daneben liege, weil sie sich einseitig pro-ukrainisch positioniert:
Erstens: der Westen redet (und schreibt) förmlich den Einsatz russischer Atomwaffen herbei – dabei habe Putin nie mit dem Einsatz von Atomwaffen gedroht. Der Kreml-Chef habe lediglich damit gedroht, „alle uns zur Verfügung stehenden Waffensysteme“ einsetzen zu wollen, falls „die territoriale Integrität unseres Landes bedroht wird“. Dazu gehören laut Baud vor allem Hyperschall- und Raketen mit Mehrfachsprengköpfen, nicht aber Atomsprengköpfe.
Im übrigen gelte in Rußland eine „No First Use“-Politik, was den Atomwaffeneinsatz angeht – ganz im Gegensatz zu den USA: US-Präsident Biden sei von einer solchen „No First Use“-Politik in diesem Jahr abgerückt. Washington halte sich einen Atomerstschlag also offen. Auch der engste US-Verbündete, Großbritannien, hat einen nuklearen Erstschlag immer wieder bekräftigt – die neue (nicht mehr!) Premierministerin Liz Truss unterstrich das im Vorfeld ihrer Amtsübernahme ausdrücklich: „Ich bin bereit, das zu tun.“
Zweitens: entgegen der tatsächlichen Entwicklung sabotiert nicht Rußland mögliche Friedensverhandlungen und eine Verhandlungslösung. Tatsache ist, daß es vielmehr den USA und Großbritannien seit Ausbruch des Krieges mehrmals gelungen sei, einen Friedensschluß zwischen der Ukraine und Rußland zu vereiteln. Schon im März, also kurz nach Kriegsbeginn, seien Putins Worte in den westlichen Mainstream-Medien auf taube Ohren gestoßen, wonach die Ukraine und Rußland „sehr, sehr nahe an einem Friedensabkommen“ seien. Die Ukraine sei damals von den USA und vom Westen bedrängt worden, einen Kompromiß mit Rußland auszuschlagen. Baud verweist in diesem Zusammenhang darauf, daß es bisher insgesamt drei Versuche gegeben habe, einen Frieden zwischen Rußland und der Ukraine herbeizuführen – alle wurden vom Westen im Keim erstickt.
Der erste Versuch sei schon einen Tag nach Kriegsausbruch erfolgt, am 25. Februar. Laut Baud wurde der ukrainische Präsident Selenskyj aber von der EU zurückgepfiffen, schließlich war schon ein „Hilfspaket“ über 450 Millionen Euro für Waffen geschnürt worden.
Bei einem zweiten Anlauf im März verhielt es sich ähnlich, so Baud. Auch in diesem Fall seien Waffenlieferungen des Westens – diesmal in Höhe von 500 Millionen – unterwegs gewesen. Der damalige britische Premier Boris Johnson sei sogar eigens nach Kiew geflogen, um auf den ukrainischen Präsidenten Selenskyj einzuwirken und einen Friedensdeal zu verhindern.
Bei einem dritten Anlauf habe der türkische Präsident Erdogan ein Friedensabkommen vermitteln wollen. Auch dies habe Johnson unterbunden Nachdem er „unerwartet“ nach Kiew geflogen sei, habe er bei einer Pressekonferenz in Kiew ausdrücklich klargestellt: „Keine Verhandlungen mit den Russen. Wir müssen kämpfen. Es gibt keinen Raum für Verhandlungen mit den Russen“.
Drittens: Laut Baud wird die Ukraine vom Westen geradezu zynisch mißbraucht. Der Ukrainekrieg diene aus Sicht des Westens lediglich dem Ziel, Rußland in die Knie zu zwingen und wirtschaftlich ausbluten zu lassen. „Um die [Ukraine] kümmert sich in Wirklichkeit niemand“, so Baud. Sie werde in erster Linie für die strategischen Interessen der USA instrumentalisiert. Dabei hätten sich die USA und der Westen allerdings verkalkuliert. Denn: „Das ursprüngliche Ziel war es ja, Rußland zu provozieren, um seine Wirtschaft durch Sanktionen zerstören zu können.“
Die Sanktionen seien mittlerweile aber ins Leere gelaufen. ursprünglich war angenommen worden, daß Rußland unter ihnen rasch zusammenbrechen würde, erklärt Baud. Aber Rußland sei wider Erwarten nicht kollabiert und kämpfe weiter. Der Schweizer Ex-Geheimdienstler bringt die Sanktionspolitik des Westens auf den Punkt: „Wir haben Sanktionen über Sanktionen über Sanktionen verhängt, ohne daß dies etwas gebracht hätte.“
Fazit: Der Westen sei „Opfer seines eigenen Irrtums“ geworden. Mehr noch: Verlierer sei Europa, das derzeit in einer Energie- und Wirtschaftskrise versinke. Der größte Leidtragende sei aber die Ukraine, die auf dem Reißbrett des Westens ein reines Bauernopfer sei.
Quelle: http://euro-synergies.hautetfort.com/archive/2022/10/24/jacques-baud-specialiste-suisse-du-renseignement-voici-comment-l-occident-m.html
Originalquelle: https://zuerst.de/2022/10/22/zuerst-hintergrund-schweizer-geheimdienstler-jacques-baud-so-luegt-der-westen-im-ukrainekrieg/
Jacques Baud, geboren am1.4.1955, ist ein ehemaliger Schweizer strategischer Analyst mit den Schwerpunkten Geheimdienst und Terrorismus Zwischen 1983 und 1990 war Jacques Baud Mitglied des Schweizerischen Strategischen Nachrichtendienstes und verantwortlich für die Truppen des Warschauer Pakts östlich des Eisernen Vorhangs und weltweit.
1995 war er aufgrund seiner Afrika- und Minenkenntnisse beim Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen in Goma (damals in Zaire) verantwortlich für die Sicherheit der ruandischen Flüchtlingslager in Zaire, um ethnische Säuberungen zu verhindern. 1997 erhielt er den Auftrag, ein Projekt zur Bekämpfung von Antipersonenminen aufzubauen. Er wird als Experte an den Minenräumungsdienst der Abteilung für Friedenssicherungseinsätze der Vereinten Nationen in New York entsandt.
2002 trat er dem neu geschaffenen Zentrum für Internationale Sicherheitspolitik (CPSI) des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten bei.
2005 wurde er von den Vereinten Nationen beauftragt, das erste zivil-militärische und multidisziplinäre Geheimdienstzentrum (Joint Mission Analysis Center (JMAC)) der Mission der Vereinten Nationen im Sudan (Khartum) zu leiten.
Von 2009 bis 2011 wurde er als Chief of Policy and Doctrine des Office of Military Affairs des Department of Peacekeeping Operations (DPKO) nach New York berufen. Dort arbeitete er an zivil-militärischen Operationen, verbesserte die operative Aufklärung, integrierte Frauen in friedenserhaltende Operationen und schützte Zivilisten.
2011 wurde er von der Afrikanischen Union zum Leiter der Forschungsabteilung des International Peace Support Training Center (IPSTC) in Nairobi (Kenia) berufen. Am Ende seines Mandats wurde er zum Leiter der Abteilung Kampf gegen die Verbreitung von Kleinwaffen und gegen Minen der Abteilung Politische Angelegenheiten und Sicherheitspolitik der NATO in Brüssel ernannt.