Christelle Néant

Am 4. August 2022 veröffentlichte Amnesty International einen Bericht, in dem die Taktiken der ukrainischen Armee, die Zivilisten gefährden, angeprangert werden, d. h. im Klartext: ukrainische Kriegsverbrechen (auch wenn AI sich nicht so weit traut, die Dinge beim Namen zu nennen). Zehn Tage später rudert die Organisation vehement zurück und erklärt, daßunabhängige Experten den besagten Bericht überprüfen werden, um zu verstehen, “was falsch gelaufen ist”. Der Ruf von Amnesty International war ohnehin schon angeschlagen; diese Geschichte hat die Organisation nun endgültig ad patres geschickt. Wir werfen einen Blick auf das Desaster einer NGO, die weder neutral noch unabhängig ist.

Seit Beginn des Konflikts im Donbass vor acht Jahren fiel Amnesty International durch ihr unglaubliches Schweigen zu den wiederholten Kriegsverbrechen der ukrainischen Armee gegen Zivilisten in den Volksrepubliken Donezk und Lugansk (DVR und LR) oder den systematischen Menschenrechtsverletzungen in der Ukraine (z. B. Folter von Menschen, die vom SBU festgenommen wurden, wie Larissa, die wir kürzlich interviewt haben) auf.

Die wenigen Male, in denen Amnesty International dies erwähnt, geschieht dies durchweg in dem Versuch, die beiden Seiten gegeneinander auszuspielen (um ausgeglichen zu erscheinen), nur dass man beim genauen Lesen der Texte tatsächlich feststellt, dass es kein Gleichgewicht zwischen den beiden Seiten gibt, und AI z.B. der DVR und der RLP ein Rechtsvakuum vorwirft, das nicht existiert (ob es dieser Organisation gefällt oder nicht, es gibt Gesetze in diesen Republiken, Menschenrechtsbeauftragte und im Gegensatz zu den Behauptungen werden Gefangene dort gut behandelt, wie die OSZE bei ihren Besuchen bescheinigen konnte)! Und das, obwohl es unzählige Beweise für die systematische Anwendung von Folter durch den SBU und die ukrainischen Neonazi-Bataillone gibt! Aber pssst, wir müssen die NGO als neutral darstellen …

Als Amnesty International am 4. August 2022 endlich offen über das sprach, was wir seit Monaten anprangern, nämlich daß die ukrainischen Soldaten Schulen, Wohnungen, Krankenhäuser usw. für militärische Zwecke nutzen und damit Zivilisten gefährden, dachten wir, daß sie sich endlich dazu entschließen, ihre Arbeit zu machen. Auch wenn sie sich nicht trauen, offen zu sagen, daß das, was die ukrainische Armee tut, de facto ein Kriegsverbrechen ist, und sie immer noch behaupten, dass selbst dann, wenn Zivilisten getötet werden, Rußland schuld ist.

Es ist “lustig”, ich kann mich nicht erinnern, daß Amnesty International die achtjährigen Dauerbombardements der ukrainischen Armee auf rein zivile Gebiete im Donbass, bei denen Tausende von Einwohnern getötet wurden, darunter mehr als hundert Kinder, an Orten, an denen es keine Stellungen, keine Waffenteile und keine Soldaten der Volksmilizen gab, so scharf verurteilt hat. Wo waren die geometrieabhängigen Verurteilungen von Amnesty International, als die ukrainische Armee am 5. Juli 2022 das Zentrum von Donezk an einem Ort bombardierte, an dem sich nichts Militärisches befand, und dabei die 10-jährige Veronica tötete, oder als sie die Trauerfeier für Kommandant Korsa mitten im Zentrum von Donezk bombardierte und dabei acht Zivilisten tötete, darunter die 12-jährige Katja, die Ballerina werden wollte?

Wo ist der Bericht von Amnesty International, in dem die Bombardierung des Zentrums von Makejewka durch die ukrainische Armee mit Streumunition (derselben, die zu verwenden sie Rußand vorwirft) am 6. Juli 2022 verurteilt wird, bei der drei Kinder, die in einem Hinterhof spielten, getötet und vier weitere verletzt wurden?

Wo ist der Bericht von Amnesty International, in dem der massive Einsatz von mit “Petal”-Minen gefüllten Raketen durch die ukrainische Armee gegen Wohngebiete in Donezk, Makejewka, Jassinowataya und Gorlowka verurteilt wird, dem bereits über 40 Zivilisten zum Opfer gefallen sind, darunter auch Kinder, denen Amputationen zugefügt werden müssen, nachdem sie auf die kleinen Minen, die wie Spielzeug aussehen, getreten sind oder sie in die Hand genommen haben?

Nein, nichts von all dem wird von Amnesty International angeprangert, trotz ihrer großen Erklärungen über ihre Neutralität, ihre Ideologiefreiheit etc. Die Realität sieht ganz anders aus und man muß nur die Berichte von AI lesen, um zu sehen, daß sie alles andere als neutral sind. Und ihr Rückzieher bei einem der wenigen Berichte, in denen sie einen Teil der Wahrheit enthüllt, wird ihren Ruf nicht gerade verbessern.

Denn kaum drei Tage nach der Veröffentlichung des Berichts und angesichts des Aufschreis, den er in der Ukraine ausgelöst hat, mußte Amnesty International eine zweite Pressemitteilung herausgeben, in der sie erklärte, daß sie “die Not und den Zorn, die unsere Pressemitteilung über die Kampftaktiken der ukrainischen Armee ausgelöst hat, zutiefst bedauert”.

Amnesty International fügt hinzu, daß “Amnesty International seit Beginn der russischen Invasion im Februar 2022 Kriegsverbrechen und Verstöße in der Ukraine rigoros dokumentiert und darüber berichtet hat und dabei mit Hunderten von Opfern und Überlebenden gesprochen hat, deren Berichte die brutale Realität des von Rußland geführten Angriffskrieges beleuchten” und daß “in diesem wie in jedem anderen Konflikt die Priorität von Amnesty International darin besteht, sicherzustellen, dass Zivilisten geschützt werden”. Angesichts des Schweigens von AI während des achtjährigen Krieges im Donbass zu den Kriegsverbrechen, die die ukrainische Armee an Zivilisten begangen hat, erlauben Sie mir, an den Prioritäten der Organisation zu zweifeln. Denn die brutale Realität des Krieges, den die ukrainische Armee seit 2014 gegen ihre eigene Bevölkerung im Donbass führt, interessiert Amnesty International nicht.

Im übrigen ist die Voreingenommenheit von AI offensichtlich, wenn man diesen Satz aus der Pressemitteilung liest: “Wir haben die Welt herausgefordert, ihre Solidarität mit den Ukrainern durch konkrete Aktionen zu demonstrieren, und wir werden dies auch weiterhin tun”. Im Klartext: Wie die OSZE kann auch Amnesty International nur schwer verbergen, dass ihre Solidarität mit den Zivilisten je nachdem, wo sie sich befinden, eine variable Geometrie hat. Wenn sie sich auf der ukrainischen Seite befinden, ist es in Ordnung, wenn sie sich auf der Donbass-Seite oder in Russland befinden (da auch russische Gebiete von der ukrainischen Armee bombardiert werden, was zu zivilen russischen Opfern geführt hat), herrscht Funkstille, der Vorrat an Solidarität ist erschöpft, gehen Sie weiter, es gibt nichts zu sehen…

Die Erklärung macht deutlich: “Nichts von dem, was wir über die Handlungen der ukrainischen Streitkräfte dokumentiert haben, rechtfertigt in irgendeiner Weise die russischen Übergriffe. Rußland ist allein verantwortlich für seine Verstöße gegen ukrainische Zivilisten”. Wenn also ukrainische Soldaten von einem Krankenhaus oder einer Schule aus auf russische Soldaten oder Zivilisten im Donbass schießen, wo sie Zivilisten als menschliche Schutzschilde benutzen, ist es die Schuld der Russen, wenn Zivilisten von den Antwortschüssen getroffen werden. Grandios. Für AI wenn Terroristen Menschen als Geiseln nehmen und die Polizei ein paar zivile Opfer fordert, indem sie die Terroristen, die gerade in den Haufen schießen, ausschaltet, ist die Polizei die Böse und allein verantwortlich für die Toten… Eine faszinierende Logik!

Die Botschaft an die Bevölkerung des Donbass und die russischen Soldaten, die gekommen sind, um sie zu verteidigen, ist sehr klar: Laßt euch beschießen, laßt euch von der ukrainischen Armee auslöschen, wie seit acht Jahren, und haltet vor allem die Klappe, denn wenn ihr euch verteidigt und eure Schüsse auf der anderen Seite Opfer fordern, seid ihr die Bösen! Die Tatsache, daß die Ukraine das Minsker Abkommen im Februar 2022 beerdigte und sich vor der russischen Intervention anschickte, die kroatische Lösung (ethnische Säuberung) im Donbass umzusetzen, scheint die Beobachter von Amnesty International und ihre etwas spezielle Logik nicht sonderlich zu stören.

Der Ruf von Amnesty International wurde jedoch von einem Titanic-Eisberg erschüttert, als die Leitung der Organisation beschloß, angesichts des Aufschreis über ihren Bericht einzuknicken und den Bericht von internationalen Experten prüfen zu lassen, um – Zitat – “genau zu verstehen, was schief gelaufen ist und warum, um daraus zu lernen und unsere Arbeit im Bereich der Menschenrechte zu verbessern”, da es angeblich Probleme mit “den Verfahren und Entscheidungen im Vorfeld der Veröffentlichung der Pressemitteilung, einschließlich der durchgeführten Recherchen, dem Prozeß der Erstellung der Pressemitteilung, der rechtlichen und politischen Analyse und dem Zeitpunkt der Veröffentlichung” gebe.

Aber von welchen Problemen sprechen Sie? Davon, daß Sie Monate gebraucht haben, um endlich über das zu sprechen, was jedem bekannt ist, der sich ernsthaft über die Geschehnisse in der Ukraine informiert? Wenn ukrainische Soldaten sich selbst (!!!) in Schulen, Kindergärten oder Krankenhäusern mit ihren Waffen etc. filmen, ist das für Sie kein ausreichender Beweis, um diese Machenschaften anzuprangern?

 

Quelle: https://reseauinternational.net/amnesty-international-finit-de-se-discrediter-en-demandant-un-audit-de-son-rapport-sur-les-crimes-de-guerre-ukrainiens/
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