
Erwan Castel
Die Bombenangriffe auf Donezk gehen weiter, täglich und unter diesem ohrenbetäubenden Schweigen der westlichen Medien, deren Nichtbeachtung des politisch unkorrekten menschlichen Leids seit acht Jahren zur Mittäterschaft an Kriegsverbrechen geworden ist.
Als ich im Februar 2015 in Donezk ankam, war ich so beeindruckt, daß ich immer wieder darüber berichtete: Die Widerstandsfähigkeit der Frauen und Männer dieses pontischen Landes, dessen russische Steppe seit Jahrhunderten von Reitervölkern, der Goldenen Horde, den Osmanen, den nationalsozialistischen oder ukrainischen Panzern an den Ufern des Schwarzen Meeres, wo sich die Weltreiche kreuzten, ununterbrochen umgepflügt wurde.
Diese Widerstandsfähigkeit ist schwer zu erklären für diejenigen, die glücklicherweise nicht das Zischen des glühenden Stahls gehört haben, der einen zum Tanz mit dem Tod auffordert, und doch ist dieser Albtraum für die Bewohner des Donbass so alltäglich geworden, daß sie nicht einmal mehr überrascht sind, wenn der Stahl um sie herum niedergeht:
Interview mit einer Bewohnerin von Donezk,
das durch ein ukrainisches Bombardement am 8. Juni 2022 unterbrochen wird.
Heute erfährt das Stadtzentrum von Donezk, das seit 2015 relativ verschont geblieben ist, ebenso wie die westlichen und nördlichen Bezirke, mit dem Tod am Himmel zu leben, und obwohl der ständige ukrainische Terror zur äußersten Vorsicht gemahnt, kann er den ungebrochenen Willen der Bevölkerung, in ihrem Schutzgebiet zu bleiben und weiter dort zu leben und zu lieben, nicht zerstören, koste es, was es wolle.
Verkehr auf einer Straße im Bezirk Petrovsky
unterbrochen durch einen ukrainischen Raketenbeschuss am 9. Juni.
Das Leben im Donbass ist seit acht Jahren nicht mehr dieser “lange, ruhige Fluß”, der die Dichter träumen läßt, aber dieser endlose Krieg hat es dennoch nicht geschafft, die starken Herzen dieses durch die Geschichte und die unterirdischen Gefahren abgehärteten Bergarbeiterlandes zu entmutigen. Bevor diese wunderschöne Stadt Donezk hieß, wurde sie “Stalino” genannt – in Anspielung auf den Stahl, den die Arbeiter von Generation zu Generation aus den glühenden Schmieden herausholten.
Von der Hölle der Bergwerke bis zur Hölle der Kriege haben sich die Familien im Donbass die wesentlichen Werte bewahrt, die aus patriotischer Liebe und menschlicher Hilfe hervorgehen, und deren Heldentatenhundertfache Antwort auf die kriminelle Feigheit sind, der sie ständig ausgesetzt sind. In Oktjabrskij, den nördlichen Stadtteilen von Donezk, habe ich mehrfach Frauen und Männer gesehen, die unter den Bombenangriffen ihren Nachbarn zu Hilfe eilten, deren Haus gerade beschossen worden war.
Soldaten, Polizisten, Feuerwehrleute und Rettungssanitäter, Notärzte und Chirurgen sind die anderen namenlosen Helden dieser diffusen zweiten Front des Krieges, die sich plötzlich materialisiert, wenn Rauch und Schreie über einem Markt oder einem brennenden Haus aufsteigen, um dann an anderer Stelle, in einem anderen Viertel, einem anderen Dorf, von neuem aufzutauchen.
Ein Feuerwehrsoldat rettet ein Kind während
einem ukrainischen Bombardement in Makeevka.
Während ich diese Zeilen schreibe, haben 30 ukrainische 122-mm-Raketen vom Typ “Grad” gerade den Luftabwehrvorhang in Chernovogvardiski, in der Nähe meines Stützpunkts zwischen Donezk und Makeevka, durchbrochen und damit einen neuen Kanonenball im ohnehin schon glühenden Juni-Himmel eröffnet.
Für die Wachhunde der atlantischen Hegemonie ist das Leben eines Kindes aus Donezk von geringerer Bedeutung als das eines ukrainischen Soldaten, der seit acht Jahren die Stadt und ihre Träume zerstört.
Quelle: http://alawata-rebellion.blogspot.com/