Edouard Husson

Die politischen Parteien in Deutschland haben sich gerade – mit Ausnahme der AfD – darauf geeinigt, die Möglichkeit einer Verschuldung für Militärausgaben im Grundgesetz zu verankern. In der Praxis veräußert Deutschland seine Souveränität ein Stückchen mehr an die USA. Für Frankreich ist es höchste Zeit, die Konsequenzen aus dieser neuen Situation zu ziehen.

Die oben abgebildete Karte zeigt die Militärbasen der NATO, Großbritanniens und der USA auf deutschem Boden im Juli 2019. Sie verdeutlicht eine sehr einfache Tatsache: 30 Jahre nach der Wiedervereinigung ist Deutschland nicht zu einer vollständig souveränen Nation geworden. In den Jahren 1989-1990 siegten George Bush der Ältere und Margaret Thatcher über Charles de Gaulle. Das wiedervereinigte Deutschland blieb in der NATO.

Es beteiligte sich an der Seite der USA an den Jugoslawienkriegen. Es wurde in den Krieg in Afghanistan hineingezogen. Und nun ist es zusammen mit Washington seit 2012-2013 immer stärker in die Zerstörung der Ukraine verwickelt.

Deutschland ist ein Stationierungsort für US-amerikanische Atomsprengköpfe.

Die Entscheidung der Regierung Scholz

Weit davon entfernt, die Gelegenheit des Krieges in der Ukraine zu nutzen, um sich zu emanzipieren, hat die Regierung Scholz beschlossen, sich noch stärker an die NATO zu binden. Um seinen Part in der NATO zu spielen, hatte Bundeskanzler Scholz bereits am 27. Februar eine Dotierung von 100 Milliarden Euro angekündigt, deren Zinserträge zur Finanzierung einer deutschen Aufrüstung verwendet werden sollten.

Das heutige Deutschland erinnert an die Bürger des 19. Jahrhunderts, die in der Familie Tugend predigen, bevor sie die ›Damen‹ besuchen gehen. Seit Ende Februar ist man darauf bedacht, die Doktrin der haushaltspolitischen Orthodoxie nicht zu gefährden.

Der ›Spiegel faßt die Situation sehr gut zusammen:

Christian Lindner predigt als Finanzminister Haushaltsdisziplin, muß sich aber gleichzeitig den Herausforderungen des Ukraine-Kriegs und der Coronavirus-Pandemie stellen. Der FDP-Politiker hat seine Strategie nun nach der Einigung auf einen 100 Milliarden Euro schweren Sonderfonds für die Bundeswehr verteidigt. Eine gute Wirtschaftspolitik könne auf Dauer nicht bedeuten, alles mit öffentlichen Geldern zu fördern,

sagte der FDP-Politiker im ZDF-›heute journal‹.

Den Sondertopf für eine bessere Ausrüstung der Bundeswehr bezeichnete er als “einmalige Ausnahme”. Der FDP-Chef betonte, daß die Vereinbarung zwischen der Koalition und der CDU/CSU die Bundeswehr stärken, die Schuldenbremse einhalten und Steuererhöhungen vermeiden würde. Er machte dies zu seinem Steckenpferd.

Die Dreierkoalition aus SPD, Grünen und FDP hatte sich am späten Sonntagabend nach wochenlangem Ringen mit der CDU/CSU-Opposition auf die gesetzlichen Grundlagen des geplanten Sonderfonds in Höhe von 100 Milliarden Euro geeinigt. Er soll im Grundgesetz verankert werden. Daher war die Zustimmung der CDU/CSU notwendig. Die Zustimmung gibt grünes Licht für Waffenaufträge an die Rüstungsindustrie im großen Stil.

Der letzte Satz bringt es auf den Punkt:

Die Regierung wird in der Lage sein, in großem Umfang amerikanische Waffen zu kaufen.

Der deutsch-französische Wirtschaftsmotor ist am Ende!

Kürzlich beschwerte sich Frankreich darüber, daß Deutschland drei Tage nach einem europäischen Treffen in Versailles, das dem Thema ›Europa der Verteidigung‹ gewidmet war, bekannt gab, daß es sich für die F35 und gegen das europäische Kampfflugzeug SCAF entscheiden würde.

Dabei steht das alles schon seit der Wiedervereinigung fest. Frankreich hat akzeptiert, daß das wiedervereinigte Deutschland in der NATO ist. Dann akzeptierte es, daß die NATO das Herzstück des ›Maastricht-Vertrags‹ war.

Die deutsche Rüstungsindustrie will keinen rein europäischen Industriegiganten schaffen. Die deutsche Regierung will kein echtes ›Europa der Verteidigung‹ schaffen.

Die Franzosen geben sich Illusionen hin. Die gemeinsame Opposition gegen den Irakkrieg 2003 war der Schwanengesang einer deutsch-französischen Vision à la de Gaulle.

Jetzt ist es an der Zeit, daß unser Land seine strategische Autonomie wiedererlangt. Vor allem, nachdem die deutsche Regierung erklärt hat, daß Deutschland bald die stärkste Armee Europas haben wird.

Quelle: https://lecourrierdesstrateges.fr/2022/05/31/100-milliards-deuros-inscrits-dans-la-loi-fondamentale-lallemagne-aliene-un-peu-plus-sa-souverainete-aux-usa/
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